«In der Gesundheitsversorgung braucht es ein Miteinander.»
Nach der COVID-Pandemie blickt das Spital Männedorf neuen Herausforderungen und Chancen entgegen. Fachkräftemangel, Rekordzahlen in der Notfallstation, aber auch die Ambulantisierung und das schonende robotergestützte Operieren standen im Zentrum des Jahres 2022.
Was war für Sie das wichtigste Ereignis im Jahr 2022?
Beatrix Frey-Eigenmann (B.F.-E.): Dass das Spital Männedorf die notwendigen Voraussetzungen für die Spitalliste 2023 erfüllte und mit allen beantragten Leistungsaufträgen für die nächsten zehn Jahre berücksichtigt wurde. Das erlaubt uns, die positive Entwicklung der letzten Jahre mit einer weitsichtigen Strategie in Richtung integrierte Versorgung weiterzuführen.
Stefan Metzker (S.M.): Wir sind auch im Jahr 2022 trotz schwieriger Rahmenbedingungen gewachsen und haben zu den grösseren Regionalspitälern im Kanton aufgeschlossen. Das auf die regionale Bevölkerung ausgerichtete Angebot hat die Abhängigkeit von Notfallzuweisungen weiter reduziert. Dies ist notwendig, um die nicht kostendeckenden Vorhalteleistungen in der Grundversorgung quersubventionieren und damit in einer hohen Qualität aufrechterhalten zu können.
Das Spital Männedorf schliesst das Jahr 2022 mit einem Gewinn von CHF 1,2 Mio. ab. Wie schätzen Sie das Geschäftsergebnis ein?
B.F.-E.: Angesichts des schwierigen gesundheitspolitischen Umfelds ist das Resultat als positiv zu werten. Schwierigkeiten bereitet uns allerdings der Lohndruck, der infolge Fachkräftemangel und Inflation steigt. Mit den aktuellen Tarifen im grundversicherten Bereich ist es fast unmöglich geworden, diesem gerecht zu werden, geschweige denn die langfristigen Investitionen sicherzustellen. In Medien und Politik wird immer wieder erwähnt, dass die Spitäler teurer geworden sind. Dies entspricht aber nicht der Realität, denn es gelten seit acht Jahren dieselben Tarife. Die Spitäler haben vor allem aufgrund der demographischen Entwicklung und der gestiegenen Ansprüche an die medizinische Versorgung mehr zu tun.
S.M.: Wir hatten im ersten Quartal 2022 wegen COVID-bedingter Personalausfälle einen schwierigen Start. In den letzten Jahren hat das Spital Männedorf aber bewiesen, dass man als mittelgrosses Spital mit hoher Interdisziplinarität und Interprofessionalität auch in einem schwierigen Umfeld sehr effizient arbeiten kann. Dass dies bei grossen Spitälern eher möglich ist, stimmt schlichtweg nicht, da sie mit ihrer hohen Komplexität oft Mehrkosten generieren. Das ist auch wirtschaftlich von Bedeutung, denn die Regionalspitäler können viele Abklärungen und Behandlungen tarifbedingt günstiger und in hoher Qualität erbringen. Wir haben von der Finanzierung her allerdings einen Punkt erreicht, an dem wir die Verfügbarkeit und Qualität der Grundversorgung nicht mehr lange auf dem gewohnt hohen Niveau aufrechterhalten können. Das hat die Politik noch nicht so richtig realisiert. Und wenn es nach dem Bundesrat geht, soll der finanzielle Druck sogar weiter erhöht werden.
2022 gilt als Rekordjahr, was medizinische Notfälle betrifft. Wie beurteilen Sie die Situation in der Notfallstation?
B.F.-E.: Die starke Zunahme der Patientenzahlen hat verschiedene Ursachen. Weil immer mehr Patientinnen und Patienten auch in unserer Region keine Hausärztin oder keinen Hausarzt mehr haben, suchen sie mit weniger ernsthaften Beschwerden den Notfall auf. Zudem haben viele Menschen den Anspruch, medizinische Hilfe dann in Anspruch zu nehmen, wenn es in ihren Terminkalender passt – also vorwiegend am Abend und am Wochenende, wenn die Hausarztpraxen geschlossen sind. Dem wollen wir mit der geplanten Permanence im ambulanten Zentrum in Meilen Abhilfe schaffen.
S.M.: Es ist in einem stark ausgetrockneten Markt ausgesprochen schwierig, Pflegepersonal zu finden, das bereit ist, der stark schwankenden, aber meist hohen Belastung einer Notfallstation standzuhalten.
Der Fachkräftemangel ist ein weiteres mediales Dauerthema. Wie geht das Spital Männedorf damit um?
S.M.: Wir erleben dieses Problem hautnah. Wir versuchen mit allen Mitteln, unsere Attraktivität als Arbeitgeber zu steigern, zum Beispiel mit Leadership-Entwicklung, Partizipation, flexibleren Arbeitszeitmodellen sowie Lohn- und Karriereentwicklung.
B.F.-E.: Der Fachkräftemangel bereitet uns grosse Sorgen. Statt unsere Teams nach den herausfordernden COVID-Jahren entlasten zu können, müssen wir mit immer weniger Personal immer mehr leisten. Darum braucht es dringend eine Entlastung von administrativen Aufgaben, damit sich unser Personal seinen Kernaufgaben mit den Patientinnen und Patienten widmen kann. Hier sind Krankenkassen und der Kanton gefordert. Wir sind auch besorgt darüber, mit welchen Mitteln einige Spitäler mit staatlicher Defizitgarantie oder überdurchschnittlich hohem Zusatzversicherten-Anteil Mitarbeitende anwerben. Sie bieten Löhne an, die über den Grundversicherten-Tarif nicht finanziert werden können. Das heizt die Lohn-Preis-Spirale an und bringt Regionalspitäler wie unseres, die sich eigenständig finanzieren müssen, in Schwierigkeiten. Das Vorgehen widerspricht dem Sinn und Geist des KVG, wonach diejenigen Spitäler überleben sollen, die ihre Leistungen wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich erbringen.
Wie steht es um die Umsetzung der Pflegeinitiative?
S.M.: Ohne höhere Tarife wird die Initiative nicht umsetzbar sein. Das Volk hat ihr im Bewusstsein der Kostenfolgen zugestimmt. Wir erwarten, dass Bund und Kantone bei der Umsetzung finanzielle Verantwortung übernehmen.
Was kann das Spital Männedorf tun, um trotz dieser Herausforderungen erfolgreich zu bleiben?
B.F.-E.: Wir denken an die Herausforderungen von heute und morgen. Deshalb beziehen wir auch soziodemografische Entwicklungen in die Strategieentwicklung ein, wie beispielsweise die alternde Babyboomer-Generation. In der Gesundheitsversorgung braucht es ein Miteinander und auf keinen Fall ein Gegeneinander. Die Leistungserbringer – Hausarztpraxen, Pflegeeinrichtungen, Spitäler und andere – müssen komplementär arbeiten, um die bestmögliche Gesundheitsversorgung zu gewährleisten. Wir planen, unser ambulantes Angebot weiter auszubauen und mit dem ambulanten Zentrum in Meilen die Gesundheitsversorgung am rechten Zürichseeufer zu stärken. Weiter möchten wir gemeinsam mit anderen Gesundheitsdienstleistern eine attraktive regionale Plattform schaffen für ambulante medizinische Dienstleistungen.
Dann ist das geplante ambulante Zentrum in Meilen also als Ergänzung, und nicht als Konkurrenz für bestehende Anbieter zu betrachten?
S.M.: Genau. Wir möchten Kompetenzen bündeln und auf die Expertise von Partnern vertrauen, um einen gewichtigen Beitrag zu unserer Vision eines «gesunden rechten Zürichseeufers» zu leisten. Es braucht eine strukturierte und verbindliche Zusammenarbeit verschiedener Leistungserbringer und Professionen über den ganzen Behandlungspfad hinweg. Wir haben mit dem geplanten Zentrum die Chance, die integrierte Versorgung – also eine vernetzte Gesundheitsversorgung – auf ein nächstes Level zu bringen.
Ambulantes Zentrum
Kürzlich war zu lesen, dass am Spital Männedorf die tausendste robotergestützte Operation mit dem Da-Vinci-Operationsroboter durchgeführt wurde. Ist das ein Schritt in Richtung hochspezialisierte Medizin?
S.M.: Wir sehen uns primär als Grundversorger der Region. Wir verfügen aber auch über die nötige Expertise, um Dienstleistungen in der spezialisierten Medizin zu erbringen. Dafür braucht es neben entsprechend erfahrenen Mitarbeitenden hochtechnologische Geräte, die den Patientinnen und Patienten schonende Eingriffe ermöglichen. Wir sind stolz, auf beides zählen zu können. Wir haben Bereiche identifiziert, in denen wir Top-Leistungen mit gesundem Volumen erbringen. Dies verdeutlicht die eindrückliche Zahl von tausend robotergestützten Eingriffen. Das ist Teil unserer Strategie, und diese verfolgen wir kontinuierlich und zielgerichtet.